Sonja Sekula (1918–1963)
Malerin, Zeichnerin und Schriftstellerin, Doppelbürgerin Schweiz/USA
Text: Barbara Traber
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Heute ist weit mehr über Sonja Sekula bekannt als über Frank Bähler, und die Frage, weshalb sich sechs Werke von ihr im Besitz der Stiftung befinden, die finanziell auf dem Kunstmarkt heute mehr Wert haben als seine eigenen, lässt sich beantworten. Zwar hat Bähler vermutlich die eigenwillige Künstlerin in New York in den damaligen Künstlerkreisen tatsächlich kennengelernt oder zumindest ihre Ausstellungen besucht. Doch seine spätere Lebensgefährtin, Sylvia Mosimann, die auch die Frank-Bähler-Stiftung nach seinem Tod ins Leben rief, war Anfang der 1960er-Jahre mit Sonja Sekula eng befreundet. Sie war es also, selbst auch künstlerisch begabt, die Werke der schweizerisch-amerikanischen Malerin kaufte oder das eine oder andere vielleicht sogar geschenkt erhielt. Das lässt sich aus Biografien/Katalogtexten und Tagebüchern von Sekula deutlich herauslesen.(1) Es spricht für Mosimanns künstlerisches Verständnis und ihr Einfühlungsvermögen, deren grosse Begabung erkannt zu haben.
Folgende Bilder und Zeichnungen von Sonja Sekula sind im Besitz der Frank-Bähler-Stiftung:
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Sonja Sekulas figürliche und gestische Werke befinden sich heute mehrheitlich in institutionellen Sammlungen, in den Kunstmuseen Luzern und Winterthur, im Kunsthaus Zürich und auch im Museum of Modern Art in New York. Im SIKART-Lexikon ist ihr Werk im Bereich Collage, Malerei und Zeichnung dokumentiert. Erst 1996, dreiunddreissig Jahre nach ihrem Tod, erschien von Sekula im Lenos Verlag Basel der Band Im Zeichen der Frage, im Zeichen der Antwort. Ausgewählte Texte und Wortbilder, herausgegeben von Roger Perret. Eine wichtige Ausstellung fand vom 27. Januar bis 13. April 2008 im Aargauer Kunsthaus Aarau statt. Sie widmete sich unter dem Titel Dunkelschwestern den beiden Malerinnen Annemarie von Matt – Sonja Sekula, deren Schaffen und Biografie einander gegenübergestellt wurden. Im Sommer 2016 folgte im Kunstmuseum Luzern eine Art Retrospektive von Sonja Sekula durch eine vielbeachtete Ausstellung mit Werken von Sonja Sekula, Max Ernst, Jackson Pollock & Friends im Kunstmuseum Luzern. Da war sie von bedeutenden, ebenfalls malenden Freunden umgeben, auf Augenhöhe mit ihnen.
Auch in wichtigen Galerien sind Werke von Sekula heute vertreten, z.B. im Zürcher Auktionshaus Germann, in der Galerie Gloggner in Luzern, in der Galerie HILT in Basel und in der Gallery Peter Blum, New York. Sie gilt heute weit über die Schweiz hinaus als eine der interessantesten und vielseitigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, wie etwa Louise Bourgeois, Frida Kahlo und Meret Oppenheim.
Auch in wichtigen Galerien sind Werke von Sekula heute vertreten, z.B. im Zürcher Auktionshaus Germann, in der Galerie Gloggner in Luzern, in der Galerie HILT in Basel und in der Gallery Peter Blum, New York. Sie gilt heute weit über die Schweiz hinaus als eine der interessantesten und vielseitigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, wie etwa Louise Bourgeois, Frida Kahlo und Meret Oppenheim.
Doppelbegabung – Doppelbürgerin
Sonja Sekula war künstlerisch eine Doppelbegabung (ähnlich wie die Malerin und Lyrikerin Meret Oppenheim), als Lesbierin zu ihrer Zeit eine gesellschaftliche Aussenseiterin, Schweizerin, aber auch im Besitz eines amerikanischen Passes, also Doppelbürgerin. Zwischen zwei Kontinenten hin- und hergerissen und oft psychisch krank, in der zweiten Hälfte ihres Lebens vom inspirierenden Zentrum der neuen Kunst in New York abgeschnitten, könnte man sie eine tragische Figur nennen: hochbegabt, aber durch ihre psychische Störung (Schizophrenie, die immer wieder ausbrach) in ihrer künstlerischen Entwicklung oft eingeschränkt. Nach ihrem allzu frühen Tod ging sie noch lange nicht in die Kunstgeschichte ein, sondern wurde erst dreissig Jahre später wiederentdeckt, ist heute jedoch bekannter als Frank Bähler.
Sonja Sekula war künstlerisch eine Doppelbegabung (ähnlich wie die Malerin und Lyrikerin Meret Oppenheim), als Lesbierin zu ihrer Zeit eine gesellschaftliche Aussenseiterin, Schweizerin, aber auch im Besitz eines amerikanischen Passes, also Doppelbürgerin. Zwischen zwei Kontinenten hin- und hergerissen und oft psychisch krank, in der zweiten Hälfte ihres Lebens vom inspirierenden Zentrum der neuen Kunst in New York abgeschnitten, könnte man sie eine tragische Figur nennen: hochbegabt, aber durch ihre psychische Störung (Schizophrenie, die immer wieder ausbrach) in ihrer künstlerischen Entwicklung oft eingeschränkt. Nach ihrem allzu frühen Tod ging sie noch lange nicht in die Kunstgeschichte ein, sondern wurde erst dreissig Jahre später wiederentdeckt, ist heute jedoch bekannter als Frank Bähler.
Sonja Sekula wurde am 8. April 1918 in Luzern geboren. Ihre Mutter stammte aus der bekannten Luzerner Confiserie- und Kaffeehausdynastie Huguenin, ihr ungarischer Vater, Béla Sekula, war als Briefmarkenhändler vermögend geworden. Sonja besuchte Schulen in Luzern, Zuoz und Ftan und machte danach, von 1934 –1936, Kunst- und Sprachaufenthalte in Florenz und Ungarn. Kein Wunder, verliebte sich die zu Frauen hingezogene 17-jährige Sonja in die attraktive, faszinierende Annemarie Schwarzenbach (1908–1942), Schriftstellerin, Journalistin und Fotografin, die ebenfalls aus wohlhabendem Haus kam. Doch die gerade begonnene Beziehung dauerte nur kurz, weil Sonja 1936 mit den Eltern in die USA emigrieren musste. (Der ungarische Geschlechtsname Sekula kann ebenso jüdischer wie nicht-jüdischen Ursprungs sein; möglicherweise verfolgte ihr Vater seit der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland die politischen Ereignisse, sah den Zweiten Weltkrieg voraus und beschloss, rechtzeitig aus Europa auszuwandern und in den USA weiterhin Geschäfte zu tätigen.)
Die ausserordentlich begabte und früh geförderte Tochter, ein Einzelkind, erhielt in den USA privaten Unterricht im Malen beim deutsch-amerikanischen Künstler und Karikaturisten George Grosz (1893–1959) und begann, 1937 am Sarah Lawrence College in New York Kunst und Literatur zu studieren, musste jedoch ihre Ausbildung 1939 aus psychischen Gründen abbrechen; sie nahm erst 1941 ihr Studium von Kunst wieder auf, an der Art Students League in New York.
Der in Russland geborene Morris Kantor (1896 –1974), ein bekannter amerikanischer Maler, der in New York lebte und dort Kunst unterrichtete, zu seiner Studentin Sonja Sekula: «Sie malte ununterbrochen, und ihr Werk veränderte sich ständig. Schade, dass sie sich nicht festnageln liess, aber so war sie eben. Egal, was sie machte, es war im Vergleich mit anderen Studenten stets von grossem Interesse. Sie war immer die Klassenbeste. Ihre Arbeiten waren viel kreativer und berührender als jene der meisten anderen, sie waren immer grossartig.»(2)
Die ausserordentlich begabte und früh geförderte Tochter, ein Einzelkind, erhielt in den USA privaten Unterricht im Malen beim deutsch-amerikanischen Künstler und Karikaturisten George Grosz (1893–1959) und begann, 1937 am Sarah Lawrence College in New York Kunst und Literatur zu studieren, musste jedoch ihre Ausbildung 1939 aus psychischen Gründen abbrechen; sie nahm erst 1941 ihr Studium von Kunst wieder auf, an der Art Students League in New York.
Der in Russland geborene Morris Kantor (1896 –1974), ein bekannter amerikanischer Maler, der in New York lebte und dort Kunst unterrichtete, zu seiner Studentin Sonja Sekula: «Sie malte ununterbrochen, und ihr Werk veränderte sich ständig. Schade, dass sie sich nicht festnageln liess, aber so war sie eben. Egal, was sie machte, es war im Vergleich mit anderen Studenten stets von grossem Interesse. Sie war immer die Klassenbeste. Ihre Arbeiten waren viel kreativer und berührender als jene der meisten anderen, sie waren immer grossartig.»(2)
Erfolgreiche Jahre in New York
Eine gewisse Nähe zu Frank Bählers Werk ist bei Sekula besonders in ihren frühen Werken auffallend und sicher dem Einfluss der zahlreichen, aus Europa nach New York ausgewanderten Vertreter des Surrealismus zuzuschreiben, die beide, Sekula und Bähler, dort kennenlernten. Sonja gehörte zum Kreis von André Breton, Roberto Matta, Marcel Duchamp, Max Ernst, Jackson Pollock, Joseph Cornell, Alice Rahon, Robert Motherwell, Yves Tanguy und vielen anderen und erhielt dadurch früh wichtige Impulse für ihr Schaffen. Ab 1947 wohnte sie in New York an der Grand Street, Ecke Monroe Street in der Lower East Side auf der gleichen Etage wie der Tänzer und Choreograf Merce Cunningham und der Komponist John Cage, der die moderne Musik entscheidend beeinflusste und ihr eines seiner Seven Haiku für Klavier widmete. In diesem Umfeld malte sie ihre wichtigsten Werke, wie Williamsburg Bridge (1948) und Town of the Poor (1951). Sie konnte an Ausstellungen der Galerie Art of This Century von Peggy Guggenheim teilnehmen und dort bereits 1946 eine erfolgreiche Einzelausstellung bestreiten. |
In einem Brief an ihre Mutter schrieb sie 1947: «As I write to you looking out my window I think of all the contemporary American poets and artists who represent their outlook on this strange country and I find myself beginning to realize that I shall be one of them, I shall be an American.»(3) Zwei Jahre später nahm Betty Parson sie unter Vertrag, und die erst 30-Jährige durfte in deren Galerie in New York fünf Einzelausstellungen bestreiten. Ein Höhepunkt in ihrer allzu kurzen Karriere.
In diesen Jahren begann sich Sekula wie viele andere Künstler auch für die Kunst der Ureinwohner Südamerikas zu interessieren. Sie unternahm zwei für ihr Schaffen wichtige Reisen, 1945 und 1946–1947 nach Mexiko und New Mexiko und sammelte Werke der indigenen Völker, deren intensive Farbigkeit sie zu eigenen Bildern anregte. 1949 unternahm sie eine längere Reise nach Europa und nach Marokko und erhielt die Chance, in Paris zusammen mit Informel-Künstlern in der berühmten avantgardistischen Galerie von Jeanne Bucher auszustellen.
In diesen Jahren begann sich Sekula wie viele andere Künstler auch für die Kunst der Ureinwohner Südamerikas zu interessieren. Sie unternahm zwei für ihr Schaffen wichtige Reisen, 1945 und 1946–1947 nach Mexiko und New Mexiko und sammelte Werke der indigenen Völker, deren intensive Farbigkeit sie zu eigenen Bildern anregte. 1949 unternahm sie eine längere Reise nach Europa und nach Marokko und erhielt die Chance, in Paris zusammen mit Informel-Künstlern in der berühmten avantgardistischen Galerie von Jeanne Bucher auszustellen.
Das Kunsthaus Zürich erhielt im Jahr 2023 drei Werke von Sekula aus Privatbesitz geschenkt, darunter das grossformatige Bild Open Door (1949–1951), das unter dem Eindruck ihrer Reise nach New Mexico entstand, wo die Stille sie besonders beeindruckte. «Es eröffnet den Betrachtenden neue Welten starker räumlich-visueller Erfahrungen, vom urbanen Raum New Yorks bis hin zu den Weiten der Wüste. Diese räumliche Komponente von Erfahrung steht am Ursprung der Werkentwicklung, aber auch sozusagen am Ende ihrer Publikumswahrnehmung. Die Schöpferin dieser Sinneswelten aus Funken, Schwüngen, Farbarabesken und einem ganzen Pinselballett (oder besser gesagt Ausdruckstanz!) auf Leinwand zählt in Kennerkreisen zu den wichtigsten Vertreterinnen des Abstrakten Expressionismus. (…) Und dennoch kennt sie eine breite Öffentlichkeit hierzulande kaum», schrieb Cathérine Hug im Jahresbericht 2023 der Zürcher Kunstgesellschaft.
Inspiriert von einem Aufenthalt auf der italienischen Insel Capri schrieb Sonja einen Text, betitelt «Capri, September 1949», der ihre Hochsensibilität und Beobachtungsgabe und ihr literarisches Talent, aber auch ihre Sehnsucht und innere Verlorenheit zeigt und der in eine Anthologie Auf Reisen. Geschichten von unterwegs mit Reiseberichten von dreizehn bekannten Schriftstellerinnen und Schriftstellern (4) aufgenommen wurde:
Inspiriert von einem Aufenthalt auf der italienischen Insel Capri schrieb Sonja einen Text, betitelt «Capri, September 1949», der ihre Hochsensibilität und Beobachtungsgabe und ihr literarisches Talent, aber auch ihre Sehnsucht und innere Verlorenheit zeigt und der in eine Anthologie Auf Reisen. Geschichten von unterwegs mit Reiseberichten von dreizehn bekannten Schriftstellerinnen und Schriftstellern (4) aufgenommen wurde:
Ein kurzer Ausschnitt aus diesem Capri-Text:
«(…) Es verschmilzt mir in meinem Gemüt, hätte nur jemand die Güte, mich aus dem Traum zu wecken, mehr, es ist ein Seufzer jetzt, der Unerfüllte, der schlafwandelnde Schritt mehrt die Angst, überwältigt die Falle von einer Insel, die Schuld, die grosse Sehnsucht, die Erkenntnis, das ist es, die schöne Hölle, diese kunstlos Schlaflosen, wir alle, der Sodomit erscheint mit Myrtenkranz, die un-verwundbare Stirn, die griechischen und römischen Profile, die vielen schönen Geschöpfe hier staunen einander an, der grosse Lärm, das grosse Schweigen des Grauens. Dies ist nach dem Krieg. Das Morden ist noch da, es ist in der blutigen Geste, mit der sie die Gläser heben, es ist ein Raum der Einsamkeit. Ich will den Regen rufen, die Flur, aber alles, was ich finde, ist ein gerissenes Halsband. Gold.» (5)
«(…) Es verschmilzt mir in meinem Gemüt, hätte nur jemand die Güte, mich aus dem Traum zu wecken, mehr, es ist ein Seufzer jetzt, der Unerfüllte, der schlafwandelnde Schritt mehrt die Angst, überwältigt die Falle von einer Insel, die Schuld, die grosse Sehnsucht, die Erkenntnis, das ist es, die schöne Hölle, diese kunstlos Schlaflosen, wir alle, der Sodomit erscheint mit Myrtenkranz, die un-verwundbare Stirn, die griechischen und römischen Profile, die vielen schönen Geschöpfe hier staunen einander an, der grosse Lärm, das grosse Schweigen des Grauens. Dies ist nach dem Krieg. Das Morden ist noch da, es ist in der blutigen Geste, mit der sie die Gläser heben, es ist ein Raum der Einsamkeit. Ich will den Regen rufen, die Flur, aber alles, was ich finde, ist ein gerissenes Halsband. Gold.» (5)
Zu Sekulas Spätwerk, folglich auch zu den Bildern von ihr auf dieser Website, erklärt Dieter Schwarz im Lexikonartikel in SIKART: «Mehr und mehr gibt Sekula in den 1950er Jahren die Malerei auf und wendet sich ganz der in Tuschfeder ausgeführten und oft mit Deckfarbe überarbeiteten, zu Beginn des Jahrzehnts zuweilen an Mark Tobey erinnernden Zeichnungen zu, in die sie auch poetische oder tagebuchförmige Texte integriert (Ohne Titel, 1961). Besonders hervorzuheben sind die Scratchboards, in schwarze oder farbige Tuschgründe eingekratzte Zeichnungen. Mit den Sketchbooks entwickelt sie eine neue Arbeitsform: Hefte mit losen Folgen von teils beschriebenen, teils bezeichneten Blättern. Die ab 1959 geschaffenen kleinformatigen Collagen aus gefärbten Papieren erinnern an ihre frühe Nähe zum Surrealismus, während die gestischen Ölbilder auf Papier der letzten Jahre an den Abstrakten Expressionismus von Robert Motherwell anknüpfen.»
Akute Belastungsreaktionen und tragisches Ende durch Selbstmord
In den späten 1940-Jahre wurden auch in den USA lesbische, schwule und farbige Kunstschaffende immer mehr ausgegrenzt, und eine Liebesbeziehung von Sekula mit der französischen surrealistischen Künstlerin Alice Rahon (1904–1987) scheiterte, was ihre psychischen Störungen verstärkt haben mag.
Die inspirierenden Jahre in New York waren für Sonja Sekula ihre erfolgreichsten, vermutlich glücklichsten ihres allzu kurzen Lebens, bevor sie 1951, zurück in den USA, einen psychischen Zusammenbruch erlitt. 1952 musste sie sich einem Klinikaufenthalt im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen unterziehen, der keine Besserung brachte, so dass immer wieder neue, teure psychiatrische Behandlungen auch in den USA unumgänglich wurden, bis die Eltern sich gezwungen sahen, aus finanziellen Gründen mit ihrer Tochter endgültig in die Schweiz zurückzuziehen. Dadurch verlor die erst 37-jährige Sonja Sekula ihre bisher wichtigen Kontakte zur internationalen Kunstszene. Ihr Werk galt in der Schweiz abwertend als «amerikanisch», und sie litt unter der fehlenden Beachtung und Anerkennung und dem daraus folgenden Misserfolg.
Sie lebte zuerst in St. Moritz, wo sie später begraben werden wollte, ab 1958 in Zürich. Im Engadin begann sie sich, mit dem Zen-Buddhismus, mit fernöstlicher Malerei und Philosophie zu beschäftigen. Doch in der engen Schweiz fühlte sie sich allein, einsam und unverstanden, als Lesbierin ohnehin nie wirklich akzeptiert und isoliert vom amerikanischen Freundeskreis. Sie konnte nicht mehr an den Erfolg in New York anknüpfen.
In den späten 1940-Jahre wurden auch in den USA lesbische, schwule und farbige Kunstschaffende immer mehr ausgegrenzt, und eine Liebesbeziehung von Sekula mit der französischen surrealistischen Künstlerin Alice Rahon (1904–1987) scheiterte, was ihre psychischen Störungen verstärkt haben mag.
Die inspirierenden Jahre in New York waren für Sonja Sekula ihre erfolgreichsten, vermutlich glücklichsten ihres allzu kurzen Lebens, bevor sie 1951, zurück in den USA, einen psychischen Zusammenbruch erlitt. 1952 musste sie sich einem Klinikaufenthalt im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen unterziehen, der keine Besserung brachte, so dass immer wieder neue, teure psychiatrische Behandlungen auch in den USA unumgänglich wurden, bis die Eltern sich gezwungen sahen, aus finanziellen Gründen mit ihrer Tochter endgültig in die Schweiz zurückzuziehen. Dadurch verlor die erst 37-jährige Sonja Sekula ihre bisher wichtigen Kontakte zur internationalen Kunstszene. Ihr Werk galt in der Schweiz abwertend als «amerikanisch», und sie litt unter der fehlenden Beachtung und Anerkennung und dem daraus folgenden Misserfolg.
Sie lebte zuerst in St. Moritz, wo sie später begraben werden wollte, ab 1958 in Zürich. Im Engadin begann sie sich, mit dem Zen-Buddhismus, mit fernöstlicher Malerei und Philosophie zu beschäftigen. Doch in der engen Schweiz fühlte sie sich allein, einsam und unverstanden, als Lesbierin ohnehin nie wirklich akzeptiert und isoliert vom amerikanischen Freundeskreis. Sie konnte nicht mehr an den Erfolg in New York anknüpfen.
Im Jahr 1961 erfährt man aus dem Tagebuch von Sonja Sekula, dass die Lehrerin Sylvia Mosimann, die offenbar damals in einem Heim für behinderte Kinder arbeitete, einige Zeit bei ihr im Atelier wohnte. Und auch im Hotel Kaiser in Zürich wohnte Sekula eine Zeit lang mit Sylvia Mosimann. Vermutlich kaufte letztere ihrer Maler-Freundin mehrere Werke ab, um sie finanziell zu unterstützen. Im Jahr vor ihrem Tod musste Sonja Sekula erneut mehrere Monate in einer Psychiatrischen Klinik verbringen, und im Herbst, zurück in Zürich, arbeitete sie sogar stundenweise in einer Spitalwäscherei, was zeigt, dass sie zuletzt in prekären Verhältnissen leben musste; auch das Zusammenleben mit ihrer Mutter und ihrem inzwischen alten, beinahe gehörlosen Vater muss in jenen Jahren äusserst belastend gewesen sein.
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Im Frühling 1963 war wiederum ein Kuraufenthalt in der Klinik Hohenegg in Meilen unumgänglich. Am 23. April feierte sie mit den Eltern den Geburtstag ihrer Mutter.
Zwei Tage danach, am 25. April 1963, erhängte sie sich in ihrem Atelier in Zürich. Sie wurde, wie sie es in einem Brief an ihre Mutter gewünscht hatte, in St. Moritz beerdigt: «Eines Tages möchte ich in einem kleinen Bergfriedhof begraben sein, vielleicht im Engadin. Lass uns einen Ort finden und ihn ins Testament schreiben. Ich bin nicht morbid, aber ich hasse Ungewissheit selbst für jenen Moment. Am Ende möchte ich einen netten Platz haben.»
Die Schweizer Künstlerin Manon (1940 als Rosmarie Küng in Bern geboren), die seit 1959 mit Sonja Sekunda befreundet war, sagte 1996 anlässlich der Sekula-Einzelausstellung im Kunstmuseum Winterthur in der Sendung «10 vor 10» im Schweizer Fernsehen: «Menschen waren damals nicht aufnahmefähig für diese Art von Kunst, es hat offensichtlich diese Zeit gebraucht, bis man es sieht.»
Barbara Traber, Sommer 2025
(1) Quellen: Biografisches in: Dunkelschwestern. Annemarie von Matt – Sonja Sekula, Hrsg. von Roman Kurzmeyer und Roger Perrin, Scheidegger & Spiess, Zürich 2008; Wikipedia; Sikart.ch; srf.ch/audio/kontext/vom-untergang-der-schweizer-kuenstlerin-sonja-sekula (22.6.2016).
(2) Zitiert in: Nancy Foote, «Who was Sonja Sekula?», Art in America 59, no. 5 (1971), S. 79.
(3) «Während ich Dir schreibe, schaue ich aus dem Fenster und denke an all die zeitgenössischen amerikanischen Dichter und Künstler, die ihre Einstellung diesem seltsamen Land gegenüber repräsentieren, und ich beginne zu realisieren, dass ich eine von ihnen sein werde, ich werde eine amerikanische Malerin werden.» (Dt. Übersetzung: B.T.)
(4) Lenos Pocket 91, Lenos Verlag, Basel 2005.
(5) Ausschnitt aus dem bereits erwähnten Band von Sonja Sekula: Im Zeichen der Frage, im Zeichen der Antwort. Ausgewählte Texte und Wortbilder auf deutsch, englisch und französisch (1934 –1962). Hrsg. von Roger Perret, Lenos Verlag 1996.
(2) Zitiert in: Nancy Foote, «Who was Sonja Sekula?», Art in America 59, no. 5 (1971), S. 79.
(3) «Während ich Dir schreibe, schaue ich aus dem Fenster und denke an all die zeitgenössischen amerikanischen Dichter und Künstler, die ihre Einstellung diesem seltsamen Land gegenüber repräsentieren, und ich beginne zu realisieren, dass ich eine von ihnen sein werde, ich werde eine amerikanische Malerin werden.» (Dt. Übersetzung: B.T.)
(4) Lenos Pocket 91, Lenos Verlag, Basel 2005.
(5) Ausschnitt aus dem bereits erwähnten Band von Sonja Sekula: Im Zeichen der Frage, im Zeichen der Antwort. Ausgewählte Texte und Wortbilder auf deutsch, englisch und französisch (1934 –1962). Hrsg. von Roger Perret, Lenos Verlag 1996.
Fotoquellen:
Abb.1: www.peterblumgallery.com/artists/sonja-sekula/biography
Abb.2: Screenshot SRF 10vor10 Beitrag vom 31.05.1996, Schweiz, Winterthur, ZH: Sonja Sekula-Retrospektive im Kunstmuseum
Abb.1: www.peterblumgallery.com/artists/sonja-sekula/biography
Abb.2: Screenshot SRF 10vor10 Beitrag vom 31.05.1996, Schweiz, Winterthur, ZH: Sonja Sekula-Retrospektive im Kunstmuseum