Ergänzungen zum Lebenslauf von Frank Bähler
Text: Barbara Traber
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Die Frank-Bähler-Stiftung bedankt sich bei Alfred Schattmann (geb. 1934 in Breslau), wohnhaft in München, für seine wertvolle Mithilfe. Zufälligerweise auf unsere Website gestossen, hat er sich bei uns freundlicherweise gemeldet. Er hat uns ein Exemplar seiner Biographie über Hans Reiser und zahlreiche Kopien von Originalbriefen, Postkarten und weiteren Dokumenten aus dem Nachlass Hans Reiser zukommen lassen:
Auto-Biographie und Biographie über den vergessenen Dichter, Schriftsteller, Maler, Hallodri und Vagabund aus Schwabing Hans Reiser (1888–1946), recherchiert und geschrieben für Verwandte, Freunde und Informanten
(131 A4-Seiten mit Werkverzeichnis von Reiser, Personenverzeichnis, Fotos und Illustrationen im Anhang), abgeschlossen 2013, überarbeitet 2016 und 2018.
Der Biograph Schattmann lässt in diesem aufgrund jahrelanger Recherchen verfassten Werk Hans Reiser als vergessener Dichter und Schriftsteller «aus seiner Ewigkeit» persönlich zu Wort melden. Diese wichtigen Informationen erlauben es uns, offene Fragen zum Leben von Frank Bähler zu beantworten und Lücken zu schliessen.
Zur Geburt und den ersten Jahren von Frank Reiser
Hans Reiser lebte, von seiner ersten Frau Maria geschieden – das gemeinsame Kind Johannes blieb bei der Mutter – in München, wo er im April 1923 Johanna Schröder aus Ostpreussen kennen lernte. Deren Schwester Gertrude war mit Siegbert Tarrasch (Arzt und Schachmeister) verheiratet. Im Oktober wurde Johanna überraschend schwanger und drängte zur Heirat, die am 8. März 1924 stattfand. Am 28. Juni 1924 wurde Frank Reiser geboren. Reiser schrieb: «Meine Johanna war hauptsächlich mit der Wohnung und dem Buben beschäftigt und ich sass stundenlang an meiner Schreibmaschine mit vertieften unerreichbaren Gedanken während meiner schriftstellerischen Arbeiten abseits im Schlafzimmer. Auf kleinste Störungen, auch Kindergeschrei, entschwand oftmals meine Beherrschung. Wie lange wird wohl unser Ehebündnis halten?»
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Immerhin schrieb der Vater ein «Schlummerlied für meinen Sohn Frank Reiser»: Nun schliesse deine Augen und atme süss, im Traum wirst du schauen ein Paradies. Die Sonne ist vergangen, sie liess uns hier allein, doch alle Himmel hangen im Sternenschein. Am Morgen wirst erwachen so frisch wie Tau und mit der Sonne lachen auf grüner Au. Und müssen wir erwarten ein Leben harter Pein, der schönste Blumengarten soll deiner sein. Wie unsre Zeit verschwindet, erblühst du fein, was alles Lieb erfindet, ist dir allein. Und wo ein Tag sich neigte, sei dir darob nicht bang, aus deinem Herzen steige nur Jubelsang. |
In einem Brief berichtete Hans Reisers Mutter Theresia 1926 ihrem älteren Enkel Hansl u.a.: «Der Frank kann nun fast laufen und zu mir sagt er Omama und zum Vater Opapa und lustig ist er. Zu Weihnachten hat er ein Wiegenpferd bekommen, aber allein kann er noch nicht schaukeln. Manchmal ist er den ganzen Tag bei uns …»
Frank wurde immer öfter von seiner Grossmutter Theresia betreut, seine Mutter verdiente laut Reiser mit Aushilfen in Gasthäusern einige Mark zum Haushalt. «Zwischenzeitlich schlitterte meine Ehe mit der Johanna ins Zerwürfnis. Johanna hatte sich ab 6.10.1926 in die Tristanstrasse 4 umgemeldet und ich in die Neureutherstrasse 17. Wegen unserem gemeinsamen Sohn blieben wir selbstverständlich in Verbindung, zum Glück hatten sich meine Finanzen verbessert. Johannas Schwester Gertrude und meine Mutter hatten den kleinen quirligen Kerl zu jeder Zeit glückselig in ihrer Obhut übernommen.»
Wie kam der Kontakt zwischen Frau Dr. Bähler und Hans Reiser zustande?
«Vermutlich brockte sich Frau Dr. Bähler den Kontakt selbst ein durch ihren Brief an Hans Reiser in Die Besinnung, Heft 4, Jahrgang 1927 (Aarau), der diesen ausnutzte, um an ihren Geldbeutel heranzukommen», meint Schattmann.
Es handelt sich um eine Besprechung des Buches Yatsuma. Eine Don Quijoterie aus Schwabing von Hans Reiser (Deutsche Buchgemeinschaft Berlin 1927) in Form eines Briefes an den Autor, in dem u.a. steht:
«Vermutlich brockte sich Frau Dr. Bähler den Kontakt selbst ein durch ihren Brief an Hans Reiser in Die Besinnung, Heft 4, Jahrgang 1927 (Aarau), der diesen ausnutzte, um an ihren Geldbeutel heranzukommen», meint Schattmann.
Es handelt sich um eine Besprechung des Buches Yatsuma. Eine Don Quijoterie aus Schwabing von Hans Reiser (Deutsche Buchgemeinschaft Berlin 1927) in Form eines Briefes an den Autor, in dem u.a. steht:
Sehr geehrter Herr Reiser! Ich las die temperamentvolle Schilderung der Begegnung mit ihrem Freunde Fritz Reck Malleczewen und dachte mir, ein Mensch, der so gegen eine teilnahmslose und übelhörige Welt die Klinge kreuzt, ganz allein, von niemand sekundiert, tapfer fechtet, der muss etwas von dem Mute haben, der nötig ist, gegen die Verlogenheiten, in die wir alle verflochten sind, vorzugehen. Und dann dachte ich mir, muss bei diesem Mute auch Güte wohnen. Das Glaubensbekenntnis am Schluss Ihres Waffenganges ist mir darum lieb. Ich hatte also nachher grosse Lust, etwas von Ihnen zu lesen, Herr Reiser. Und ich griff nach Yatsuma, Ihrer Don Quijoterie au Schwabing, die Herr Rudolf Frank in 48 von 52 Zeilen so zerzupft. Grad weil er sie so zerzupfte, musste ich das Buch lesen, das ist so der weibliche Widerspruchsgeist. Ich möchte fast glauben, das was Frank über die Entstehung Ihres Buches sagt, sei die etwas bösliche Fabulierlust des Literaten, der berufsmässig viel in Rhetorik macht. (…) Zum Schluss sage ich Ihnen noch, dass ich es nicht bereue, Ihren Freund Yatsuma kennen gelernt zu haben, Herr Reiser. Sie haben ihm viel mitgegeben, das auch dem lautesten und härtesten Spötter ein wenig eingehen muss. Mit vorzüglicher Hochachtung E. L. B. |
So kam der Kontakt zwischen Frau Dr. Bähler und dem Schriftsteller Hans Reiser zustande. Er hielt sich mehrmals in Aarau und auch im Ferienhaus «Casa Lucia» in Ascona auf, um von der Gastfreundschaft der Adoptivmutter seines Sohnes zu profitieren. Schattmann nimmt an, Reiser sei kurz vor seiner Scheidung von Johanna mit Kind und Kegel nach Aarau gereist, um sich bei Frau Dr. Bähler einzuschleichen. Letzterer müsse der depressive Zustand von Johanna Reiser nicht entgangen sein, und wahrscheinlich habe sie den Jungen samt seiner Mutter für einige Zeit zur Erholung in die Schweiz eingeladen – und daraufhin Frank adoptiert.
Johanna Reiser ging es psychisch und physisch nicht gut, besonders als sie feststellen musste, dass ihr Mann sich schon 1925 in eine verheiratete Tänzerin, Hildegard von Rechfelden, verliebte. Von 1926 lebte Johanna von ihrem Mann getrennt, ab der Scheidung 1928 dann ohne feste Bleibe. «Zu dieser Zeit war die Johanna schwer krank und durch mein grausames Kriegsbuch Die Nacht grundsätzlich nicht abgeneigt, unseren gesunden Sohn der friedlichen Schweiz zu übergeben.» (Hans Reiser) Auf einer Postkarte vom 14.8.1929 aus Aarau schrieb Reiser:
Liebe Mutter, sollte Geld kommen oder sonst woher, so bitte mir hierher zu senden. Wenn Ihr wegreist, dann lasst Eure Post und meine an Rosas Adresse gehen. Zettel auf der Post ausfüllen und einen Zettel an den Briefkasten kleben. Meine Adresse: H.R. bei Frau Dr. Bähler, Aarau-Schweiz. Herzliche Grüsse, Hans. |
«Aufgrund einer Einladung der Journalistin Dr. Emmi Luzia Bähler befand ich mich ab Anfang Januar wieder in Aarau. An dieser Stelle sei nochmals gesagt, dass mein Sohn Frank Bähler von Frau Dr. Bähler adoptiert wurde. Die Zeit in Aarau nutzte ich aus, um in der Zeitschrift Die Besinnung über mein Kriegsbuch Die Nacht ausführlich zu informieren.» (Hans Reiser, 1930)
Die Schweizer Adoptionsmutter als willkommene Geldgeberin
Von überallher – vor allem aus Südamerika – schrieb Hans Reiser lange Briefe an seine Eltern, meist an seine Mutter, und bat um Geld, Schreibpapier, Farbbänder, Bücher und andere Dinge, die sie ihm schicken sollten.
In einem Flugpostbrief von Iquitos (Peru) vom 12.12.1932 an seine Eltern steht u.a.: «Mein Plan ist, zuerst den Hansl (Neffen) kommen zu lassen. Später, in ein paar Jahren, wenn er ausstudiert hat, meinen Hans; und ganz später den Frank. Ich glaube, dass die Buben gern kommen – der Hans schreibt wenigstens so. Natürlich schreibe ich mit Frank auch.»
Von überallher – vor allem aus Südamerika – schrieb Hans Reiser lange Briefe an seine Eltern, meist an seine Mutter, und bat um Geld, Schreibpapier, Farbbänder, Bücher und andere Dinge, die sie ihm schicken sollten.
In einem Flugpostbrief von Iquitos (Peru) vom 12.12.1932 an seine Eltern steht u.a.: «Mein Plan ist, zuerst den Hansl (Neffen) kommen zu lassen. Später, in ein paar Jahren, wenn er ausstudiert hat, meinen Hans; und ganz später den Frank. Ich glaube, dass die Buben gern kommen – der Hans schreibt wenigstens so. Natürlich schreibe ich mit Frank auch.»
Aber auch von Luzia Bähler erwartet Reiser, dass sie ihn unterstützt und beklagt sich in einem Brief vom 5. August 1934 aus Peru an seine Mutter über die «Groschenbesitzerin»:
«Sie hat mich immer mit Almosen hingehalten und beschämt, anstatt mir wirklich zu helfen, d.h. mich in die Lage zu setzen, dass ich ihr Geliehenes mit Zinsen zurückzahlen konnte. Das wäre produktive Hilfe gewesen und hätte beiden genützt. Ich werde vorläufig von dieser Sache nichts gegen sie erwähnen und ihr überhaupt nicht schreiben, bevor meine Lage nicht geändert ist. Gelingt es uns, mir herauszuhelfen, dann werde ich ihr nachträglich reinen Wein einschenken – wenn ich sie nicht mehr brauche. Ich muss auch ein Auge zudrücken, denn sie hat doch den Frank adoptiert und es geht ihm ja sehr gut. Wenn ich zuhause bin, werden wir ja sehen, wie das weitergeht; ich möchte ihn lieber zu mir nehmen. Darum muss ich immer diplomatisch bleiben. Die Schweizer sind alle Geizkrägen, mich wundert überhaupt, und es war ein Meisterstück von mir, dass ich ihr überhaupt in den Beutel steigen konnte. Aber der ‚Fehler‘ war eben, dass mir die edle Hutschachtel dann doch über die Hutschnur gewachsen ist. Ich habe nur die redliche Absicht gehabt, ein Darlehen zu erlangen und hätte es, mit meinen Aussichten, mit Zins zurückzahlen können. Es ist immer die ewige Geschichte, wo das Geld ist, da klebt es, sie wollen dich nicht hochkommen lassen. Ich bin jedoch froh, dass ich mir ihr gegenüber keine Blösse gegeben habe …»
«Sie hat mich immer mit Almosen hingehalten und beschämt, anstatt mir wirklich zu helfen, d.h. mich in die Lage zu setzen, dass ich ihr Geliehenes mit Zinsen zurückzahlen konnte. Das wäre produktive Hilfe gewesen und hätte beiden genützt. Ich werde vorläufig von dieser Sache nichts gegen sie erwähnen und ihr überhaupt nicht schreiben, bevor meine Lage nicht geändert ist. Gelingt es uns, mir herauszuhelfen, dann werde ich ihr nachträglich reinen Wein einschenken – wenn ich sie nicht mehr brauche. Ich muss auch ein Auge zudrücken, denn sie hat doch den Frank adoptiert und es geht ihm ja sehr gut. Wenn ich zuhause bin, werden wir ja sehen, wie das weitergeht; ich möchte ihn lieber zu mir nehmen. Darum muss ich immer diplomatisch bleiben. Die Schweizer sind alle Geizkrägen, mich wundert überhaupt, und es war ein Meisterstück von mir, dass ich ihr überhaupt in den Beutel steigen konnte. Aber der ‚Fehler‘ war eben, dass mir die edle Hutschachtel dann doch über die Hutschnur gewachsen ist. Ich habe nur die redliche Absicht gehabt, ein Darlehen zu erlangen und hätte es, mit meinen Aussichten, mit Zins zurückzahlen können. Es ist immer die ewige Geschichte, wo das Geld ist, da klebt es, sie wollen dich nicht hochkommen lassen. Ich bin jedoch froh, dass ich mir ihr gegenüber keine Blösse gegeben habe …»
Schattmann dazu: «Reiser philosophierte weiterhin über die sehr schlecht gewordene Verbindung zu Luzia Bähler; trotzdem bleibt beim Leser ein Nachgeschmack: Hans Reiser hatte seinen Sohn Frank verschachert.» Dass der Vater Frank nicht wirklich vermisste, zeigt sich auch aus früheren Briefen von 1928: «Hier gibt es die schönsten Frauen der Welt.» Seine Gedanken drehten sich in seinen Briefen meist um fehlendes Geld: «Ich habe weiter keine Angst, höchstens vor der Geldbeutel-Schwindsucht.» |
Zwischen Weihnachten und Neujahr 1933 schreibt er aus der Einsamkeit am Rio Pichis in Peru seinen Eltern: « (…) Ja, hier ist nicht einmal eine Ortschaft und doch ist das Geld so wichtig. Man braucht nicht viel, aber etwas muss man haben; und darum ist es so bedauerlich, dass mir in diesem Jahr alles schief gegangen ist. (Dass ich in Geldverlegenheit bin, braucht niemand zu wissen; ich sage es auch niemand.) (…) Vater meint, ich sollte in eine bewohntere Gegend gehen. Das geht nicht aus hundert Gründen. Ich habe doch eine Farm, Haus und Pflanzung. Da kann ich leben und es kostet mich sehr wenig. Alle Städte aber in Peru sind sehr teuer. Und ausserdem langweilig. Ich hätte da nichts erlebt und nichts schreiben können. Die paar Deutschen, die da leben, kaufen keine Bücher, sind teils zu dumm, teils zu knickerig. Meine Idee war zweierlei, die mich in die Einsamkeit geführt hat: Erstens wollte ich auf der eigenen Haut erfahren, wie ein Siedler sich hier niederlassen kann, damit ich darüber aus eigener praktischer Erfahrung berichten kann. Und ausserdem wollte ich ein Buch aus dem Urwald schreiben. Beides habe ich getan und bin damit zufrieden. Und schliesslich, wenn alle Stricke reissen würden: Haus und Grund habe ich immer, bin mein eigener Herr; und hier kommt mir keiner herein, der mir nicht gefällt. (…) Aber ich hoffe viel auf die Schweiz – wobei mir die Luzi zweifellos ein wenig helfen wird, unter uns gesagt – ich werde also nicht zurückkehren, weil mir die Nachbarschaft nicht gefällt …»
Längere Zeit diente Franks leibliche Mutter Johanna als Hausdame im Landhaus von Professor Emil Groos. Ab März 1937 bis zu ihrem Tod war sie an dessen Stadtwohnung an der Fuststrasse 10 in München gemeldet. Die Auswanderung ihres Ex-Mannes nach Peru muss sie als Erlösung empfunden haben. – Am 27.11.1943 starb sie im Krankhaus Rosenheim an doppelseitiger Lungenentzündung. Ihre Schwester Gertrude Tarrasch liess sie im Grab ihres verstorbenen Mannes Siegbert Tarrasch begraben.
Gertrude Tarrasch-Schröder starb am 4.6.1966 in München und hinterliess einen Nachlass von 90 000 DM, hauptsächlich aus einem Vermächtnis von Prof. Emil Groos, in dessen Landhaus sie wohnte. Im Nachlass wurde ihr Neffe Frank Bähler mit 1/3 Anteil des Vermögens eingetragen; ein Rechtsanwalt stöberte Frank in der Schweiz auf, und er holte sein Erbe in Deutschland ab.
Gertrude Tarrasch-Schröder starb am 4.6.1966 in München und hinterliess einen Nachlass von 90 000 DM, hauptsächlich aus einem Vermächtnis von Prof. Emil Groos, in dessen Landhaus sie wohnte. Im Nachlass wurde ihr Neffe Frank Bähler mit 1/3 Anteil des Vermögens eingetragen; ein Rechtsanwalt stöberte Frank in der Schweiz auf, und er holte sein Erbe in Deutschland ab.
Christine Reiser – die 16 Jahre jüngere Halbschwester von Frank
Mit seinem Halbbruder Johannes (Hans) Reiser hatte Frank schon als Junge Kontakt, was u.a. eine Postkarte aus Aarau vom 30.12.1938 an die Grosseltern Theresia und Johann Reiser in München beweist:
Liebe Grosseltern, ich bin für eine Woche bei meinem Bruder Frank in Aarau. Die beiden Enkel senden Euch herzliche Grüsse und wünschen Euch ein frohes neues Jahr. Euer Hans und Frank.
Hans war damals 23, Frank erst 14 Jahre alt. Beide erlebten als Kinder ein ähnliches Schicksal und waren sich einig: Wir sind und bleiben Brüder.
Erst als Frank Bähler nach dem Tod seiner Tante Gertrude 1966 einen beträchtlichen Betrag erbte, erfuhr er, dass er auch eine 16 Jahre jüngere Halbschwester hatte.
Mit seinem Halbbruder Johannes (Hans) Reiser hatte Frank schon als Junge Kontakt, was u.a. eine Postkarte aus Aarau vom 30.12.1938 an die Grosseltern Theresia und Johann Reiser in München beweist:
Liebe Grosseltern, ich bin für eine Woche bei meinem Bruder Frank in Aarau. Die beiden Enkel senden Euch herzliche Grüsse und wünschen Euch ein frohes neues Jahr. Euer Hans und Frank.
Hans war damals 23, Frank erst 14 Jahre alt. Beide erlebten als Kinder ein ähnliches Schicksal und waren sich einig: Wir sind und bleiben Brüder.
Erst als Frank Bähler nach dem Tod seiner Tante Gertrude 1966 einen beträchtlichen Betrag erbte, erfuhr er, dass er auch eine 16 Jahre jüngere Halbschwester hatte.
1935 zwang eine schwere Tropenkrankheit Hans Reiser zur Rückkehr nach Deutschland. Aus verschiedenen Postkarten ist ersichtlich, dass er mit seiner neuen Freundin Margareta Reindl (genannt Grete) im März und April 1939 in Italien herumreiste. Er heiratete diese am 6.6.1940. Am 14.8.1940 kam Christine Reiser, Franks Halbschwester, zur Welt. Hans Reiser verschwieg – mitten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs – seine dritte Ehe samt Tochter gegenüber Frau Dr. Bähler und seinem Sohn Frank wahrscheinlich absichtlich.
Margareta Reiser, 1946 Witwe geworden, heiratete 1949 in München nochmals, den aus der Ukraine stammenden Georg Furmanow, und wanderte mit ihm und ihrer Tochter Christine 1950 nach Australien aus. Aus dieser Ehe stammt eine weitere Tochter, Genette, geboren am 20.11.1951. Margareta Furmanow starb am 3.1.1989 in Adelaide. Christine Reiser, Franks Halbschwester, heiratete 1969 in Windsor Gardens, Australien, Manfred Müller. Ob sie noch lebt, ist nicht bekannt.
Johannes (Hans) Reiser, der Sohn aus erster Ehe von Hans Reiser, geb. 25.1.1915 in München, galt seit dem 22.8.1944 als Angehöriger (Arzt) beim Stab Grenadier-Regiment 415 bei Husi/Jassy in Rumänien als vermisst, was sein Vater zu Lebzeiten nicht erfuhr. Johannes war Träger der 3. Sanitäts-Ersatz Abteilung; Feldpostkarten beweisen, dass er mit seinem Halbbruder Frank in brieflichem Kontakt stand; er war verlobt mit Sibylle Fischer, Berlin.
Johannes ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Hans Reiser (1913–1990), Sohn der Maria Therese Reiser, Schwester des Schriftstellers. Dieser, verheiratet mit Ottilie Reiser geb. Vogt, hatte keine Kinder, baute aber ein erfolgreiches Hemdengeschäft auf (Herrenhemden-Reiser). Frank Bähler hatte auch später von Aeschi b. Spiez aus Kontakt zu seinem Cousin Hans in München.
Gemeinsamkeiten
Auffallend auf Fotos ist die Ähnlichkeit von Frank Bähler mit seinem Vater Hans Reiser. Auch dessen Begabung für die Malerei hat er geerbt. «Schon während meiner Lehrzeit, während der Fabrik- und Bürojahre malte und dichtete ich», berichtete Reiser. «Die Entscheidung, welche von diesen Beschäftigungen die ‚berufliche‘ werden soll, erfolgte mehr oder weniger zufällig. Fast alle meine Bücher sind auf Betreiben und Anregungen entweder von Freunden oder Verlegern entstanden. Gezwungen, von frühester Jugend an meinen Lebensunterhalt zu verdienen, konnte ich die Verdienstmöglichkeiten, die sich durch einige Bucherfolge usw. boten, nicht von der Hand weisen. Dabei hat mir zwar für die Malerei oft die Zeit gefehlt, aber die Leidenschaft zur Malerei hat mich nie verlassen», steht in seinem Lebenslauf vom 8.3.1944, zwei Jahre vor seinem Tod. |
In Die Lesestunde vom April 1938 schrieb die Deutsche Buch Gemeinschaft: «Die Eigenart und Bedeutung Reisers liegt nicht so sehr in den Stoffgebieten, sondern in seiner Persönlichkeit als Dichter. Wir würden ihn gern einmal wieder begegnen in einem Erzählwerk, das sich seinen Raum ganz durch die persönliche Atmosphäre seines Herzens schafft.»
Wikipedia berichtet über Hans Reisers Werk wie folgt:
Hans Reiser war Verfasser von Romanen, Erzählungen und Gedichten. Er war 1920 mit seiner Novelle Nacht einer der ersten deutschen Autoren, der seine Kriegserfahrungen literarisch verarbeitete. Reisers Werk weist zwei thematische Schwerpunkte auf: zum einen das Vagabundenleben, wie es in den Romanen Cherpens Binscham, der Landstreicher, Yatsuma und Der geliebte Strolch (einer fantastischen Version der Biografie des François Villon) geschildert wird, zum anderen die Erfahrung der Peru-Aufenthalte, die ihren Niederschlag in den ab 1936 erschienenen Werken fanden.
Hans Reiser war Verfasser von Romanen, Erzählungen und Gedichten. Er war 1920 mit seiner Novelle Nacht einer der ersten deutschen Autoren, der seine Kriegserfahrungen literarisch verarbeitete. Reisers Werk weist zwei thematische Schwerpunkte auf: zum einen das Vagabundenleben, wie es in den Romanen Cherpens Binscham, der Landstreicher, Yatsuma und Der geliebte Strolch (einer fantastischen Version der Biografie des François Villon) geschildert wird, zum anderen die Erfahrung der Peru-Aufenthalte, die ihren Niederschlag in den ab 1936 erschienenen Werken fanden.
Im Nachlass von Hans Reiser im Literaturarchiv Monacensia in München befindet sich laut Schatzmann ein Korb voller Reiser-Sachen, die noch nicht erfasst sind, u.a. auch Fotos. Auch das Manuskript Die Nacht von 1921/22 über den Ersten Weltkrieg, das später von Reiser ergänzt wurde, befindet sich in der Monacensia. Es wurde nie als Buch gedruckt und einzig als Serie veröffentlicht in Die Besinnung, der Zeitschrift, die Lucia Bähler als Redaktorin und Mitherausgeberin betreute.
Eigenwilligkeit, Einfallsreichtum, Originalität und auch Fleiss sind Hans Reiser, dem «Vagabund aus Schwabing», nicht abzusprechen, und davon hat sein Sohn Frank ein grosses Stück mitbekommen – und ist selbst zum Künstler geworden.
Eigenwilligkeit, Einfallsreichtum, Originalität und auch Fleiss sind Hans Reiser, dem «Vagabund aus Schwabing», nicht abzusprechen, und davon hat sein Sohn Frank ein grosses Stück mitbekommen – und ist selbst zum Künstler geworden.